Jugendbeteiligungsgremien
Diese Regelungen der GO NRW zur Besetzung von Ausschüssen und zum Alter der Ausschussmitglieder stehen derzeit der Einrichtung eines Jugendstadtrates als Ausschuss entgegen. Es bedarf daher einer eigenständigen ergänzenden Rechtsgrundlage des Landesgesetzgebers. Eine solche Regelung könnte entweder in der GO NRW, alternativ aber auch - wie der Jugendhilfeausschuss - in den Ausführungsgesetzen zum SGB VIII verankert werden.
IV. Sind Jugendbeteiligungsgremien, die den Status eines Beirats haben, vor Finanzierungsprobfemen im Falle eines Nothaushaltes geschützt?
1. Einrichtung eines Beirats:
Das derzeitige Kommunalverfassungsrecht des Landes NRW sieht die Bestellung von Beiräten nicht vor. Beiräte sind dauerhaft bestehende Gremien mit beratender Funktion38. Auch im NRW-Kommunalrecht war bereits 1994 der Ausländerbeirat eingeführt worden. Mittlerweile sieht § 27 GO NRW die Beteiligung von Ausländern aber in Form eines freien Integrationsrates oder als Integrationsausschuss vor, da sich diese Konstruktion als überlegen erwiesen hat39. Da es dem Landesgesetzgeber NRW möglich ist, die Grundlagen für die Einrichtung eines Jugendstadtrates in Form eines Ausschusses zu bestimmen, ist es ihm erst recht möglich, diese als Beirat zu konzipieren.
2. Regelungen anderer Bundesländer Gesetzliche Regelungen des Kommunalverfassungsrechts zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sind bisher nur in den Bundesländern Hessen4o, Niedersachsen41, Rheinland-Pfalz42 und Schleswig-Holstein43 zu erkennen. Die Gemeindeordnungen der Länder Niedersachsen (§ 22e GO) und Schleswig-Holstein (§ 47f GO) weisen durch allgemeine Programmsätze auf eine Jugendbeteiligung hin.
Die Gemeindeordnung des Landes Hessen sieht vor, dass die Gemeinden über die in diesem Gesetz vorgesehene Beteiligung der Einwohner hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.
Beirates (§§ 56b, 56a GO) ais Kann-Bestimmung vor. Die diesbezüglichen Vorschriften lauten: § 56 b - Jugendvertretung:
(1) In einer Gemeinde kann aufgrund einer Satzung eine Jugendvertretung eingerichtet werden.
(2) Für die Jugendvertretung gilt § 56 a Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 und 3 entsprechend.
§ 56 a - Beirat für ältere Menschen, Beirat für behinderte Menschen und sonstige Beiräte
(1)....In der Satzung ist im Rahmen der Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde das Nähere über die Beiräte, insbesondere über deren Aufgaben, deren Bildung, ihre Mitglieder und den Vorsitz zu regeln. Soweit der Gemeinderat nichts anderes bestimmt, gelten für die Beiräte die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Gemeinderats entsprechend.
(2) Die Beiräte können über alle Angelegenheiten beraten, die die Belange der von ihnen vertretenen gesellschaftlich bedeutsamen Gruppen berühren.
Gegenüber den Organen der Gemeinde können sie sich hierzu äußern, soweit Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde betroffen sind.
(3) Auf Antrag eines Beirats hat der Bürgermeister Angelegenheiten im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 dem Gemeinderat zur Beratung und Entscheidung vorzulegen. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats soll bestimmen, in welcher Form Mitglieder der Beiräte im Rahmen ihrer Aufgaben an Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse teilnehmen.
3. Auswirkungen, Schutzansatz:
Sofern der Landesgesetzgeber die Einrichtung eines Jugendbeirats in Form einer Kann-Bestimmung nach dem rheinland-pfälzischen Muster ermöglichen würde, wären die Auswirkungen in den Nothaushaltskommunen identisch mit der derzeitigen Situation. Eine rechtliche Verpflichtung im Sinne des § 82 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW wäre nicht gegeben. Diejenigen Nothaushaltskommunen, die bisher über kein Jugendgremium verfügen, wären - unabhängig davon, ob sie Träger der Jugendhilfe sind oder nicht - daran gehindert, einen Beirat einzurichten. Bestandsschutz könnte mglw. nur denjenigen Nothaushaltskommunen zustehen, die Träger der Jugendhilfe sind (s. I. 5.2). Das bedeutet im Ergebnis, dass weder unter dem Gesichtspunkt des Aufgabenansatzes, noch durch Schaffung einer eigenen Grundlage im Kommunalverfassungsrecht eine rechtlich sichere Möglichkeit zur Finanzierung in Nothaushaltkommunen besteht bzw. herbeigeführt werden kann.
Ein denkbarer Ansatz könnte jedoch in der Änderung von Vorschriften der GO NRW zum Gemeindehaushalt zu sehen sein. Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf zur Änderung des § 76 GO NRW mit dem Ziel der Lockerun~ einer Regelung zum Haushaltssicherungskonzept in der Ausschussberatung. Der federführende Ausschuss für Kommunalpolitik hat innerhalb seiner Fragen zur Anhörung am 18.02.2011 u.a. auch die Frage gestellt:
Gutachten: 20. Halten Sie es für sinnvoll, freiwillige Aufgaben auch während der Laufzeit eines Haushaltssicherungskonzeptes zu finanzieren? Halten Sie eine entsprechende explizite Aussage im Gesetz für sinnvoll?45
In einer schriftlichen Stellungnahme zu dieser Frage wurde der Vorschlag unterbreitet, den Handlungsspielraum der Kommunen, die unter einem HSK stehen, durch einen gesetzlichen Maßnahmenkatalog als Teil von § 76 GO NRW zu erweitern46. Bei Aufnahme der Finanzierung von Jugendbeteiligungsgremien in einen solchen Katalog könnte damit die Finanzierung trotz HSK sichergestellt werden.
Zusammenfassung:
Nach aktueller Rechtslage stellt sich die Einrichtung von Jugendbeteiligungsgremien für diejenigen Kommunen, die nicht Träger der Jugendhilfe sind, als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe dar. Für Träger der Jugendhilfe hingegen ist Jugendarbeit zwar an sich eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe, nicht jedoch die konkrete Maßnahme der Errichtung und Fortführung kommunaler Jugendstadträte. Hinzu kommt, dass die Jugendarbeit unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Kommune steht. Der Landesgesetzgeber könnte eine gesetzliche Ermächtigung zur Bildung eines Jugendstadtrates in Form eines freiwilligen Ausschusses oder Beirats schaffen. Eine rechtsverbindliche Sicherung der Finanzierung von Jugendbeteiligungsgremien dürfte in der Situation des Nothaushalts aber weder über den Ansatz der Aufgabenzuweisung noch durch eine Absicherung im Kommunalverfassungsrecht des Landes NRW zu erreichen sein. Im Falle einer gesetzlichen Pflicht zur Errichtung von Jugendbeteiligungsgremien würde sich die Frage einer Finanzierungverpflichtung durch das Land unter dem Aspekt der Konnexität stellen. Nach derzeitiger Rechtslage ist weiterhin offen, ob bestehende Gremien in Nothaushaltskommunen aufgegeben werden müssen oder unter dem Gesichtspunkt der Weiterführung notwendiger Aufgaben fortgeführt werden können.
Dies dürfte nach den Gegebenheiten vor Ort Frage des Einzelfalles sein.
Anlässlich der Beratung einer aktuellen Gesetzesvorlage zur Lockerung der Regelungen zum Haushaltssicherungskonzept hat der Ausschuss für Kommunalpolitik die Frage gestellt, ob die gesetzliche Absicherung der Finanzierung freiwilliger Aufgaben während eines Nothaushaltes in Form eines gesetzlichen Aufgabenkataloges sinnvoll ist. Die Aufnahme von Jugendbeteiligungsgremien in einen solchen Aufgabenkatalog könnte eine finanzielle Absicherung ermöglichen.
Das Ergebnis der Beratungen zu diesem Änderungsgesetz steht allerdings noch aus.