Biotechnologie - Chancen für Bremen und Bremerhaven

Die Fraktionen der CDU und der SPD haben unter Drucksache 15/488 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet.

Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt:

1. Wie bewertet der Senat die Chancen des Landes Bremen als zukunftsweisender Standort für Bio- und Gentechnik?

Die Bio- und Gentechnologie bietet herausragende wirtschaftliche und arbeitsmarktrelevante Potentiale in den Anwendungsbereichen Lebensmitteltechnologie, Umwelttechnologie, Medizin/Gesundheit und Pharmazie. Sie bietet erfolgversprechende Perspektiven für die Konsolidierung vorhandener wirtschaftsrelevanter Potentiale und für den Aufbau neuer innovativer Unternehmensfelder im Land Bremen.

Die Chancen eines Standortes für Bio- und Gentechnologie werden im Wesentlichen von den verfügbaren wissenschaftlichen Kompetenzen und den fachlich einschlägigen Potentialen der Unternehmen bzw. der Anwender determiniert.

Im Bereich der Wirtschaft verfügt Bremen auf dem Gebiet der Lebensmitteltechnologie über eine relativ starke und im Bereich der Umweltttechnik über eine aussichtsreiche Position.

Dagegen ist der Besatz mit Firmen in den Anwendungsfeldern Pharmazie, Medizin, der chemischen bzw. biochemischen Industrie oder der Agrarwirtschaft im Land Bremen im Vergleich zu anderen Regionen bislang nicht sonderlich ausgeprägt.

An den bremischen Hochschulen und Instituten konnte mit Unterstützung des Landes eine hochwertige wissenschaftliche Kompetenz in den Feldern Bio- und Gentechnologie aufgebaut werden. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die erfolgreiche Einwerbung von Bundesmitteln aus dem Bundesprogramm Biotechnologie 2000.

Vor diesem Hintergrund bewertet der Senat die Chancen des Landes Bremen als zukunftsweisenden Standort für Bio- und Gentechnik insgesamt sehr positiv. Es werden gute Chancen gesehen, dass bremische Unternehmen das vorhandene hervorragende wissenschaftliche Potential im Bereich der Bio- und Gentechnik für die Weiterentwicklung ihrer eigenen Produkte oder Dienstleistungen nutzen aber insbesondere auch erfolgversprechende Start-ups aus der wissenschaftlichen Arbeit hervorgehen.

2. Wie bewertet der Senat insbesondere die Möglichkeiten zur Entwicklung so genannten Kompetenzknoten für die Blaue Biotechnologie und für die Genomforschung an Mikroorganismen im Lande Bremen?

Blaue Biotechnologie

Der Senat hat die gesamte Meeresforschung im Lande Bremen in den vergangenen Jahren mit erheblichen Mitteln aufgebaut und gefördert. Dadurch konnte sich die Universität im Verbund mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), dem Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (MPI) und dem Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) sowie anderen Einrichtungen zu einem wichtigen wissenschaftlichen Zentrum der Meeresforschung in Deutschland entwickeln. Da im Land Bremen zugleich eine besondere Stärke im Bereich der Lebensmittelindustrie vorhanden ist, bestehen angesichts der in Bremen vertretenen wissenschaftlichen Kompetenz hervorragende Voraussetzungen für den Aufbau einer Blauen Biotechnologie im Land Bremen.

Insbesondere die bisherigen im Land Bremen durchgeführten Aktivitäten auf dem Gebiet der Bio- und Gentechnologie führten 1999 zur Bildung des von einem Hochschullehrer der Universität Bremen geleiteten Marbiotec-Verbundes, dem Wissenschaftler und Unternehmen aus dem Land Bremen und Nordwestniedersachsen angehören. Dieser Verbund stellt eine der wesentlichen Säulen des aus der Region entwickelten und vom Technologietransferzentrum an der Hochschule Bremerhaven koordinierten neuen Wettbewerbsbeitrages Funktionelle Lebensmittel aus dem Meer im Rahmen des vom BMBF ausgeschriebenen Wettbewerbs dar.

Im Rahmen des Programms wird von der Küstenregion die Koordinierung und Stärkung der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kompetenz im Bereich Blaue Biotechnologie betrieben. Die Initiative der Küstenregion Bremen-Weser-Ems für eine Blaue Biotechnologie hat mit dem Thema Funktionelle Lebensmittel aus dem Meer ein erfolgversprechendes Konzept aufgestellt und eine aussichtsreiche Position bei der Bewerbung um eine fünfjährige Förderung durch das BMBF einnehmen können. Darüber hinaus könnten eine ganze Reihe der vor Ort ansässigen Unternehmen sehr von einem Kompetenzknoten Blaue Biotechnologie in der Region Bremen Nordwestniedersachsen profitieren. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Senat die Entwicklung eines Kompetenzknotens Blaue Biotechnologie und bewertet die Möglichkeiten zur Entwicklung eines Kompetenzknotens Blaue Biotechnologie positiv.

Genomforschung

Die Genomforschung hat in letzter Zeit erhebliche Fortschritte gemacht. Besonders die kürzlich bekanntgegebene Entschlüsselung des kompletten menschlichen Erbguts hat Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden.

Vor dem menschlichen Genom waren bereits die Genome verschiedener Mikroorganismen, wie z. B. des Darmbakteriums E. coli entschlüsselt worden. Im Land Bremen werden am MPI, AWI und den Hochschulinstituten intensive Forschungen im Bereich Mikrobiologie und mikrobieller Lebensgemeinschaften durchgeführt.

Die wissenschaftlichen Arbeiten stützen sich wesentlich auf die Untersuchung relevanter Genomabschnitte und setzen gentechnologische Verfahren ein. Mit dem BMBF-geförderten Projekt zur Analyse der Erbinformation von drei umweltrelevanten marinen Bakterien (REGX) am MPI in Bremen, in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern (Förderung des BMBF in Höhe von ca. 4,5 Mio. DM), gewinnt die Genomforschung in Bremen deutlich an Profil.

Synergetische Effekte der beiden Forschungsschwerpunkte bzw. Kompetenzknoten sind zu erwarten und positive Austrahlungen auf andere Gebiete/Kompetenzbereiche (z. B. Gensensorik) in Bremen sind absehbar.

Angesichts der starken Kompetenz im Bereich der marinen Biologie und Mikrobiologie sieht der Senat die Entwicklung eines Kompetenzknotens Genomforschung positiv.

Der Bereich der Gensensorik stellt einen weiteren bedeutenden Schwerpunkt der Gentechnologie dar. Das auf sieben bis zehn Jahre angelegte von einem bremischniedersächsischen Projektkonsortium unter der Federführung von Herrn Prof. Dr. Blohm initiierte, vom BMBF mit Mitteln in Höhe von ca. 7,4 Mio. DM geförderte interdisziplinäre Projekt Gensensorik, ist bereits 1996 aus der Förderinitiative (Bundesförderprogramm Biotechnologie 2000) hervorgegangen und ergänzt insoweit die Genomanalytik und die Blaue Biotechnologie sinnvoll. Ziel des Projektes ist es, mit Chip-Herstellung, DNA-Analytik, DNA-Computing, Mikrodosierung, Oberflächen-Chemie und Systementwicklung ein integriertes und vollständig automatisiertes Gensensorik-System bis zur Marktreife zu entwikkeln.

Ergänzend sind die universitären BMBF-geförderten Forschungsprojekte Biolog (Förderung in Höhe von ca. 3,5 Mio. DM für drei Jahre) sowie das der Fa. Bruker Daltronik (ca. 4,5 Mio. DM BMBF-Fördermittel) zu nennen.

Durch die Konzentration der Mittel auf diesen Ansatz ist Bremen bereits auf dem Weg, sich einen anerkannten Platz in der bundesweiten Biotechnologie-Entwicklung zu sichern.

Der Senat wird die Entwicklung von Kompetenzknoten, die auf diese Entwicklung aufbauen, weiterhin fördern, insbesondere wenn erkennbar wird, dass die zurzeit noch eher im Vorfeld der Industrie stattfindenden wissenschaftlichen Arbeiten zu Ergebnissen führen, die die Entwicklung einer regionalen Blauen Biotech-Industrie zur Folge haben.

3. In welcher Form setzt sich der Senat mit den Chancen und Risiken der Gen- und Biotechnologie auseinander?

Der Senat erkennt die erheblichen wirtschaftlichen Potentiale, die sich aus der Biound Gentechnologie ergeben. Grundsätzlich gilt es, die vielfältigen positiven Potentiale für den Standort Bremen zu nutzen und weiterzuentwickeln sowie mit den vorhandenen Instrumenten der Wirtschaftsförderung aktiv zu unterstützen.

Er sieht zugleich die grundsätzlichen gesellschaftlichen Risiken und ethischen Vorbehalte in verschiedenen Gebieten, die in geeigneter Weise zu reflektieren und zu würdigen sind.

Die moderne Gen- und Biotechnologie war von Beginn an Objekt eines breiten und auch kontroversen gesellschaftlichen Diskurses. Die Diskussion um Chancen und Risiken mündete auf rechtlicher Ebene im nationalen Gentechnikgesetz mit seinen Verordnungen. Das Gentechnikrecht verknüpft Elemente des Gesundheits-, Umwelt- und Arbeitsschutzes und der Vorbeugung von Risiken mit dem Zweck, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der Gentechnik zu schaffen. Es trägt damit der nötigen Abwägung von Chancen und Risiken Rechnung. Der Senat hat über den Bundesrat aktiv an der Gesetzesdiskussion mitgewirkt. Er unterstützt die ihr zu Grunde liegende untrennbare Verknüpfung von Sicherheits- und Förderphilosophie im Sinne eines sicheren und verantwortungsbewußten Umgangs mit den neuen Technologien.

Im Rahmen des Vollzuges des Gentechnikgesetzes vor Ort kontrolliert der Senat die ordnungsgemäße Umsetzung sicherheitsrechtlicher Vorschriften durch die Betreiber gentechnischer Anlagen und berät die Antragsteller in allen gesetzesrelevanten Fragen.

4. Wie bewertet der Senat die gesellschaftspolitische Debatte über Gen- und Biotechnologie, und wie will der Senat dem steigenden Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger im Land Bremen gerecht werden?

Die gesellschaftspolitische Debatte über Gen- und Biotechnologie ist schwierig und wird kontrovers geführt. Zwar ist in den letzten Jahren eine Versachlichung in der öffentlichen Diskussion zu Fragen der Gen- und Biotechnologie zu beobachten, doch wird die Gentechnik - in Abhängigkeit von den Anwendungsbereichen - in Umfragen noch ambivalent gesehen. Wird der Einsatz in der Medizin (Rote Gentechnik) überwiegend positiv beurteilt, so überwiegt in der so genannten Grünen Gentechnik (Landwirtschaft, Nahrungsmittel) eine eher kritische Haltung der Verbraucher. Dies gilt auch für bestimmte Bereiche der Gendiagnostik (z. B. im Versicherungswesen) und im Zusammenhang mit neuen Verfahren der Reproduktionsmedizin, Stammzellenforschung oder auch Klonierung.

Angesichts der vielen Facetten der Chancen, Risiken und ethischen Implikationen wird es darauf ankommen, die Diskussion gezielt zu den erkennbar kritischen Aspekten (Beherrschung der Technologie, Bewertung der Gefahren aus der Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen, ethische Aspekte des Klonens bzw. der Stammzellforschung, Schutz gesundheitlicher Daten bei der gentechnischen Identifizierung von individuellen Krankheitsrisiken, Schere zwischen Diagnostik und Therapie etc.) in den zuständigen Ressorts unter Einbindung der zu berücksichtigenden wissenschaftlichen Einrichtungen zu führen und ihre Ergebnisse zu kommunizieren.

Der Senat ist um eine objektive, differenzierte und transparente Diskussion der Gen- und Biotechnologie in Bremen bemüht. So hat das Gesundheitsressort im Jahr 1998 eine umfassende Broschüre Anwendungsbereiche der Gentechnik als Informationsschrift für Verbraucherinnen und Verbraucher veröffentlicht. Diese ist auch über Internet abrufbar. Weitere Informationen sind den Bremer Bürgerinnen und Bürgern durch öffentliche Veranstaltungen in Hochschulen, Bibliotheken etc. zugänglich.