Haftpflichtversicherer

Hat der Schädiger dem Unfallverletzten für die verspätete Aufnahme eines Fachhochschulstudiums einzustehen, so haftet er grundsätzlich auch für Verzögerungen des Studiums durch einen allgemeinen Vorlesungsstreik der Studenten, denen der Verletzte ohne den Unfall nicht ausgesetzt gewesen wäre.

Erteilt der Haftpflichtversicherer des Schädigers dem Geschädigten ein schriftliches Anerkenntnis, mit dem er dessen materiellen Zukunftsschaden dem Grunde nach anerkennt, um ihm eine Feststellungsklage zu ersparen, so kann das Anerkenntnis unter Umständen ein Feststellungsurteil über die Schadensersatzpflicht mit der Folge ersetzen, dass sich die Verjährung der Ersatzansprüche des Geschädigten für den Zukunftsschaden nach § 218 BGB richtet.

Zum Sachverhalt: Der damals in der Ausbildung zum Fachingenieur stehende Kläger wurde am 29. 8. 1962 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Die Ersatzpflicht des Beklagten für alle unfallbedingten Schäden des Klägers ist außer Streit. Nach langjährigen Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer des Beklagten hat der Kläger mit einer am 11. 6. 1971 bei Gericht eingereichten Klage neben anderen Schäden, um die es hier nicht geht, Ersatz für Verdienstausfall zunächst für die Zeit vom 1. 8. 1965 bis zum 31. 1. 1970 von 50000 DM und - im Wege späterer Klageerweiterung - für die Zeit vom 1. 2. 1970 bis 31.5. 1973 von 6706,19 DM verlangt. Das Oberlandesgericht hat durch Grundurteil vom 2. 7. 1974 diese Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Im Betragsverfahren hat der Kläger seine Klage mehrfach erweitert. Zuletzt hat er vor dem Landgericht neben dem bereits eingeklagten Erwerbsschaden für die Zeit von August 1965 bis Januar 1970 einen darauf bezogenen Kaufkraftschwund von 14000 DM sowie für die Zeit von Febraur 1970 bis Dezember 1978 Verdienstausfall nunmehr in Höhe von 46218,69 DM und vermehrte Bedürfnisse von 2310 DM nebst Zinsen ersetzt verlangt.

Das Landgericht hat ihm entgangenen Verdienst in Höhe von 25477,29 DM und einen Teilbetrag der vermehrten Bedürfnisse in Höhe von 560 DM nebst Zinsen zuerkannt. Auf die Berufung des Kläger, der die Berechnung seiner Zahlungsklage erneut geändert, diese hinsichtlich der Zinsen erweitert und nunmehr auch die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die seit dem 1. 1. 1979 entstandenen und noch entstehenden materiellen Schäden begehrt hat, sowie auf die Anschlussberufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert, den Beklagten zur Zahlung von 46917,91 DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht geht bei der Berechnung des dem Kläger in der Zeit vom 1. 8. 1965 bis 31. 1. 1970 entstandenen Erwerbsschadens von dem mutmaßlichen Einkommen des Kläger als Bauführer in diesem Zeitraum aus, lässt dabei aber den möglichen Verdienst des Kläger für sechs Monate des Jahres 1969 außer Ansatz, um die sich das Bauingenieur-Studium des Kläger wegen eines allgemeinen Vorlesungsstreiks verlängert hat. Den so ermittelten Schaden kürzt es um die vom Kläger in den Jahren 1965 und 1966 von der Landesversicherungsanstalt bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente von 3135,60 DM und gelangt auf diese Weise unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen von 52500 DM zu einem restlichen Ersatzanspruch auf die Verdienstausfall von 40211, 72 DM. Auf den für die Zeit von Februar 1970 bis Dezember 1978 verlangten Erwerbsschaden erkennt das Berufsgericht dem Kläger lediglich 6706,19 DM zu. Die weitergehenden Ansprüche und den Feststellungsanspruch bezüglich des Zukunftsschadens hält das Berufsgericht für verjährt.

Diese Schadensberechnung und die vom Berufsgericht zur Verjährung angestellten Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Erwerbsschaden von August 1965 bis Januar 1970

Die auf Oberlandesgericht Hamm vom 11. 5. 1970 gestützte Auffassung des Berufsgericht, der Beklagten brauche dem Kläger den während des Streiksemesters im Sommer 1969 entgangenen Verdienst nicht zu ersetzen, ist rechtlich unzutreffend. Nach dem richtigen Ausgangspunkt des Berufsgericht erstreckt sich zwar die Einstandspflicht eines Schädigers nicht auf solche Folgeschäden seiner unerlaubten Handlung, die bei wertender Betrachtung nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der Unfallverletzung des Geschädigten stehen, sondern mit dieser nur eine bloß zufällige äußere Verbindung haben und sich deshalb letztlich als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen. Um einen solchen nur äußerlichen Zusammenhang handelt es sich hier jedoch nicht. Da der Kläger aufgrund der durch den Unfall erlittenen Körperverletzung seine Ausbildung unterbrechen musste, hat der Beklagten grundsätzlich für alle Nachteile einzustehen, die dem Kläger aus der Verzögerung seines Studiums an der Fachhochschule erwachsen sind. Dazu gehören auch diejenigen Erschwernisse im Studiengang, die darauf beruhen, dass das Studium in einer Zeit mit veränderten Studienbedingungen durchgeführt werden musste. Zu diesen müssen auch die politischen Unruhen an den Hoch- und Fachhochschulen gerechnet werden, die 1968 besonders massiv einsetzten und aus denen der hier infrage stehende Vorlesungsstreik, der unstreitig damals die Fachhochschulen allgemein betroffen hat, hervorgegangen ist. Der Kläger ist nur deshalb in den Einflussbereich dieser veränderten Verhältnisse an den Fachhochschulen geraten, weil er unfallbedingt in dieser schwierigen Zeit studieren musste. Ob etwas anderes gelten müsste, wenn es sich um Erschwernisse handelt, die auf die Verhältnisse allein an der von dem Verletzten gewählten Schule zurückzuführen sind, kann offen bleiben; hier hatte die streikbedingte Verzögerung des Studienganges mit der Wahl gerade dieser Schule nichts zu tun. Dem Beklagten, der dem Kläger für die verspätete Aufnahme des Studiums einzustehen hat, ist deshalb bei wertender Betrachtung auch die weitere Ausbildungsverzögerung durch den Vorlesungsstreik zuzurechnen. Er hat somit dem Kläger auch den darauf beruhenden Verdienstausfall zu ersetzen.

Erwerbsschaden von Februar 1970 bis Dezember 1978

Das Berufsgericht meint, der für diesen Zeitraum geltend gemachte Ersatzanspruch des Kläger sei bis auf den bereits durch das Grundurteil vom 2. 7. 1974 dem Grunde nach zuerkannten Betrag von 6706,19 DM wegen Verjährung unbegründet. Das ist nicht richtig.

Entgegen der Rechtsansicht ist die Verjährung des Anspruchs allerdings weder durch das rechtskräftige Grundurteil des Oberlandesgerichts vom 2. 7. 1974, noch durch ein tatsächliches Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers des Beklagten verhindert worden. Das Grundurteil führte schon deshalb nicht zu einer dreißigjährigen Verjährung nach § 218I BGB, weil es nur den Haftungsgrund, nicht aber den eingeklagten Anspruch festgestellt und insoweit keine materielle Rechtskraft geschaffen hat. Das tatsächliche Verhalten des für den Beklagten handelnden Haftpflichtversicherers während der außer- prozessualen Regulierungsverhandlungen, auf das die Revision zusätzlich abstellt, konnte nach § 208 BGB lediglich zu einer Unterbrechung der Verjährung mit der Folge führen, dass diese gemäß § 217 BGB nach Beendigung der Unterbrechung neu begann, so dass die Verjährungsfrist des 852I BGB für die hier infrage stehenden Ansprüche die erst 1977 und später gerichtlich geltend gemacht worden sind, bereits vor Rechtshängigkeit abgelaufen war.

Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die Auffassung des Berufsgericht, dass auch das Schreiben des Haftpflichtversicherers des Beklagten vom 21.7. 1970 der Verjährung nicht entgegenstehe. Mit diesem Schreiben hatte der Versicherer dem Kläger hinsichtlich des bis Januar 1970 geltend gemachten Restschadens die Klageerhebung anheim gestellt, im übrigen aber in Nr. 4 des Schreibens besonders hervorgehoben: Ein weitergehender materieller Zukunftsschaden wird dem Grund nach anerkannt.

Nicht zu beanstanden ist die vom Berufsgericht vorgenommene Auslegung des Anerkenntnisses dahin, dass der Haftpflichtversicherer damit keine selbständige Grundlage für den Schadensersatzanspruch des Klägers i. S. eines so genannten konstitutiven Anerkenntnisses schaffen wollte. Der Begründung eines solchen neuen Anspruchs bedurfte es hier nach den gesamten Umständen schon deshalb nicht, weil die Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach von jeher außer Streit war. Insoweit hat das Berufsgericht deshalb das Anerkenntnis unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten rechtsfehlerfrei nicht für schuldbegründend, sondern lediglich für schuldbestätigend gehalten.

Mit dieser Auslegung ist jedoch die Tragweite des Anerkenntnisses nicht erschöpft. Wie das Berufsgericht richtig sieht, wollte der Haftpflichtversicherer des Beklagten den Kläger hinsichtlich des materiellen Zukunftsschadens klaglos stellen. Dies konnte sich nach der gesamten Sachlage nur auf die Entbehrlichkeit einer Feststellungsklage beziehen, da der Zukunftsschaden des Klägers seinerzeit noch nicht mit einer Leistungsklage gerichtlich geltend gemacht werden konnte.

So hat auch der Beklagten selbst in seinem Schriftsatz vom 15. 2. 1982 noch einmal ausdrücklich betont, der Zweck des Anerkenntnisses habe darin gelegen, dem Kläger zu ersparen, das Gericht zur Feststellung seiner Ansprüche anzurufen. Das Schreiben des Haftpflichtversicherers vom 21. 7. 1970 war somit von der Absicht des Haftpflichtversicherers getragen, den Kläger hinsichtlich seiner Ersatzansprüche für den ihm ab Februar 1970 entstehenden Schaden materiellrechtlich so zu stellen, als ob er eine gerichtliche Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten erwirkt hätte. In dieser Weise hat der Kläger das Schreiben auch verstanden, wie sich aus seinem Vorbringen in der Klageschrift ergibt, dass sich in Anbetracht des Anerkenntnisses eine Feststellungsklage erübrige.

Damit ist durch das Anerkenntnis und seine spätestens mit der Klageschrift erfolgte Annahme durch den Kläger eine vergleichsähnliche Vereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen, durch die der Kläger auf die Erlangung eines Feststellungsurteils und der Beklagten auf eine gerichtliche Feststellung der gegen ihn gerichteten Ersatzansprüche bezüglich des Zukunftsschadens verzichten. Dem steht auch nicht, wie das Berufsgericht meint, der Umstand entgegen, dass der Beklagten sich in seiner Klageerwiderung auf Verjährung berufen hat. Abgesehen davon, dass die vorgenannte Vereinbarung der Parteien zu diesem Zeitpunkt bereits zustande gekommen war, bezog sich die Verjährungseinrede des Beklagten ausschließlich auf den zur damaligen Zeit allein rechtshängigen Erwerbsschaden des Kläger von 1965 bis Januar 1970, nicht aber auf den erst später eingeklagten Verdienstausfall von Februar 1970 bis Dezember 1978. Dieser unterfiel der genannten Vereinbarung der Parteien, die auf deren Rechtsbeziehungen insoweit institutiv einwirkte, als sie den Anspruch des Kläger auf Ersatz des Zukunftsschadens wie bei einem erwirkten Feststellungsurteil gemäß § 218I BGB von der Verjährungseinrede des Beklagten aus § 852I BGB befreite. Dies hat das Berufsgericht bei der Auslegung verkannt. Da es jedoch die für die Auslegung erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen hat, weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen und die Parteien zur Auslegung der Vereinbarung in den in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätzen vom 10. und 15. 2. 1982 ausführlich Stellung genommen haben, kann der erkennende Senat die Auslegung mit dem dargelegten Ergebnis selbst vornehmen.