Kameralismus, Kameralwissenschaft
Kameralismus, Kameralwissenschaft - ökonomische Lehre in Deutschland, die im Interesse der feudalen Landesherren des 17. und 18. Jh. die Regeln und Methoden entwickelte, nach denen der staatliche Verwaltungsapparat (die Kammern) funktionieren sollte. Der relativ niedrigen Entwicklungsstufe der deutschen Wirtschaft in den zahlreichen Kleinstaaten entsprechend, war das wissenschaftliche Niveau des Kameralismus bzw. Kameralwissenschaft nicht sehr hoch und mit dem zeitgenössischen Merkantilismus in England kaum vergleichbar. Die wichtigste Aufgabe der Kameralisten war die Füllung der Staatskassen der Territorialfürsten, die oft unter der irreführenden Losung vom Streben nach dem Wohlstand des ganzen Volkes stand. Der staatlichen Regelung des Wirtschaftslebens wurde große Bedeutung zugemessen. In den Lehren des Kameralismus oder Kameralwissenschaft spielte jedoch nicht die Entwicklung des Handels oder der Gewerbe die Hauptrolle, sondern die Vervollkommnung der Steuerlehre. Daneben umfasste die Lehre von der Staatsverwaltung auch technisch-ökonomische Betrachtungen über einzelne Gewerbe und über die Landwirtschaft. Zur Zeit des Wirkens der Kameralisten wurden in Deutschland die ersten Lehrstühle für Ökonomie an den Universitäten eingerichtet [Halle 1723; Frankfurt (Oder) 1727] und die erste ökonomische Zeitschrift (Ökonomische Fama) gegr. Die bedeutendsten Vertreter des Kameralismus, Kameralwissenschaft waren: Johann Joachim Becher; Veit Ludwig von Seckendorf (1626-1692), der im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg bes. die Volksvermehrung forderte; Philipp Wilhelm von Hornigk (1638-1712), der in seinem Buch Österreich über alles; wann es nur will der Frage der Autarkie des Landes bes. Aufmerksamkeit schenkte; Wilhelm von Schröder (1640-1688), der offen aussprach, dass man die Untertanen nähren müsse, um sie besser ausbeuten zu können; Justus Christoph Dithmar (1677-1737); Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717-1771).